Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Dagmar Ullmann-Bautz · 25. Jun 2013 · Theater

Quatsch ist nicht gleich Quatsch – das klagenfurter ensemble lieferte den Beweis!!

Mit einer kleinen, aber feinen Eröffnungsfeier und der ebenso schrägen wie auch begeisternden Produktion des klagenfurter ensembles wurde am Montag das 1. Theaterfestival der TheaterAllianz im Hause des Theaters KOSMOS in Bregenz eröffnet.

Die Eröffnung, musikalisch begleitet von Peter Madsen und Herwig Hammerl, wurde von Mag. Hildegard Siess vom Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur vorgenommen. Sowohl den Theatermachern Augustin Jagg und Hubert Dragaschnig als auch Stadträtin Mag. Judith Reichart und Landesrat Mag. Harald Sonderegger war die Freude an dieser österreichweiten, neuen und sicherlich wegweisenden Kooperation anzusehen. Die TheaterAllianz vereint 5 freie Theaterhäuser das klagenfurter ensemble, das Schauspielhaus Wien, das Schauspielhaus Salzburg, das Theater Phönix Linz sowie das Theater KOSMOS Bregenz. Alle fünf Bühnen geben sich diese Woche ein Stelldichein mit einer jeweils für Bregenz ausgewählten Produktion.

Außergewöhnliche Arbeit

Das klagenfurter ensemble präsentierte mit „Uksus“, einer Kammeroper in vier Kisten, eine ganz außergewöhnliche Arbeit und einen Theaterabend für ein informiertes Publikum, das gewillt ist, sich mit Ungewöhnlichem auseinanderzusetzen.

Für Zuschauer ohne Vorinformation über die Hintergründe der Produktion war es schwierig sich darauf einzulassen. Wenn man jedoch um die Situation der russischen Autoren der 30er-Jahre weiß, war und ist „Uksus“ ein wahrer Leckerbissen.

Charismatischer Dichter

1927 gründete der Autor Daniil Charms zusammen mit anderen Autorinnen und Autoren die literarische Avantgardevereinigung OBERIU „Vereinigung der Realen Kunst“.

Daniil Charms, 1905 in St. Petersburg geboren und 1942 in einem Gefängnis verhungert, war einer der charismatischsten Dichter seiner Zeit. Ein Künstler auf allen Ebenen, ein Aktionist, getrieben von seiner unglaublichen Kreativität und Leidenschaft. Sein Schreiben war lebensnotwendig, in seinen Kindergeschichten und absurden Miniaturen versteckte er seine beißende Gesellschaftskritik. Schon bald nach der Gründung wurde OBERIU als antisowjetisch deklariert und somit von der politischen Führung verboten.

Arbeitsweise: Plotmontage


2012 erteilte das klagenfurter ensemble und VADA, der Verein zur Anregung des dramatischen Appetits, einen Kompositionsauftrag an den amerikanischen Komponisten Erling Wold. Als Grundlage galten Texe von Daniil Charms, Igor Bachterev, Leonid Lipavskij, Marina Malytsch, Konstantin Vaginov, Aleksandr Vvedenskij und Nikolaj Zabalockij. Die Texte wurden von Yulia Izmaylova und Felix Strasser zusammengestellt, die auch für die Inszenierung verantwortlich zeichnen. In vier Bildern – sie nennen sie Kisten – haben sie die absurden Miniaturen und Zitate der AutorInnen montiert und erzählen die Geschichte des Dichters Puschkin, eigentlich Daniil Charms.

Charakterstarke Figuren und dichte Bilder

Puschkin wird in der ersten Kiste überfallen und ausgeraubt, träumt in der zweiten gemeinsam mit seiner Frau von einem Glück zu zweit, während sie ständig gestört werden. Die dritte Kiste zeigt den legendären und einzigen öffentlichen Auftritt der OBERIU im Leningrader Haus der Presse und die vierte stellt die Verhaftung und das Verhör Puschkins dar.

Die Texte sind absurd, eigentlich Quatsch – wie sie auch im Stück benannt werden und dennoch haben Regie und Schauspieler es geschafft, charakterstarke Figuren und äußerst dichte Bilder zu zeichnen. Rüdigier Hentzschel als Dichter Puschkin überzeugt mit unbeugsamer Seelen-Stärke, vehement und mit starker Bühnenpräsenz. Seine Frau Fefjulka Fensterchen, hervorragend gespielt und gesungen von Sirje A. Viise, ist eine herrlich erotische Figur, gespickt mit feinem weiblichen Witz. Mit seiner schönen Stimme verleiht Josef Oberauer der Figur „unsere Mama“ sehr viel Wärme und Milde. Witz und Energie versprüht Adolfo Assor (der Maler Michelangelo) trotz einiger kleiner Textschwächen, überspielt durch ein beeindruckendes Mimenspiel.

Komplexe Musik und viel Applaus


Die Musik von Erling Wold kommt auffallend leicht daher, doch ohne zu verheimlichen, wie komplex und diffizil sie ist. Die Musiker, The TallTones extended unter der Leitung des erst 22 jährigen Davorin Mori, überzeugen mit bester musikalischer Qualität.

Der Theaterabend war ein wahrhaft gut gesetzter (Mind-)Opener für das gesamte Theaterfestival – er machte Appetit auf mehr. Das Publikum spendete langen, intensiven Applaus.