Autorin Verena Roßbacher beim "texte & töne"-Festival im ORF-Landesstudio.
Dagmar Ullmann-Bautz · 19. Mär 2011 · Theater

Rastlose Selbstsuche eines großen Phantasten - Ibsens Klassiker „Peer Gynt“ am Vorarlberger Landestheater

Was für ein Abend - vier Stunden und keine Minute davon war zu viel! Regisseur Alexander Kubelka beschenkte das Landestheater und das Publikum mit einem wahrhaft großen Theaterabend.

„Peer Gynt“, das dramatische Gedicht des norwegischen Autors Henrik Ibsen, ist ein äußerst vielschichtiges,  facettenreiches, abenteuerliches Stück, das sich schön in das Thema der diesjährigen Spielsaison des Landestheaters  - „Welten bauen“ - fügt. Handelt es doch von einem Menschen, der sich - Kraft seiner Phantasie - seine ganz eigene Welt erschafft. Zeitlebens befindet sich die Hauptfigur - der Träumer, der Lügenbold, der Phantast Peer Gynt - auf einer Reise und auf der Suche nach sich selbst. 1867 geschrieben, eröffnete der Text die Epoche des modernen, des absurden Theaters,  und hat bis heute nichts von seiner Aktualität verloren. Die Geschichte aus der Tiefe der menschlichen Seele ist zeitlos.

Imponierende Bühne

Ein phantastisches Leading Team und ein großartiges Ensemble ver- und bezauberten am Premierenabend das Publikum. Herausragend die Bühne des Vorarlberger Architektenduos Cukrowicz/Nachbaur sowie die Meisterleistung des Schauspielers Alexander Julian Meile in der Rolle des Peer Gynt.
Die Architekten, inspiriert durch die Szene, in der sich Peer Gynt mit einer Zwiebel vergleicht, entwarfen riesige gebogene Holzelemente – ähnlich Zwiebelschalen und Segmenten einer Kugel. Acht Stück davon, jeweils gut 150 Kilo schwer, fünf Meter lang und bis zu zwei Meter breit, werden von Bühnentechnikern und Schauspielern zu über 20 Bildern verschoben, gekippt, gehoben und gedreht. Brücken werden gebaut, Berge, Wellen der stürmischen See, ein Tanzsaal und eine kleine Hütte, ein Pferd und die Sphinx. Im von Arndt Rössler gestalteten Licht entwickelt jedes einzelne Bild größte Anziehungskraft und Ausstrahlung. Selten hat man in Bregenz eine in ihrer Reduktion und gleichzeitigen Leistungsfähigkeit und Erzählkraft so imponierende Bühne gesehen.

Bemerkenswerte schauspielerische Leistung

Ibsen erzählt von einem ganzen Menschenleben und so begleiten wir Peer Gynt vom jungen Mann bis zum alten Greis. Üblicher weise wird diese Rolle altersbezogen auf drei Schauspieler verteilt. Kubelka vertraute auf die Spiel- und Ausdruckskraft eines einzigen Schauspielers. Und Alexander Julian Meile überzeugte nicht nur, er begeisterte als Glücksjäger und Aufschneider in den prallen und geilen Szenen ebenso wie in den stillen und verzweifelten. Nicht nur schauspielerisch präsentiert Meile eine bemerkenswerte Leistung, auch die aufzuwendende Energie, der körperliche Einsatz, der immense und schwierige Text verlangen vom Darsteller höchste Konzentration und Hingabe.
Unterstützt wird Meile von bemerkenswerten KollegInnen. Andrea Wolf spielt Peers Mutter Aase in ihrer Zerrissenheit zwischen bedingungsloser Mutterliebe und der Wut auf diesen Nichtsnutz einfach hervorragend. Bezaubernd und authentisch die Solveig gespielt von Alexandra Maria Nutz, die mit einer zweiten Figur in diesem Stück, dem scheußlichen Trollkönig, ihre Wandlungsfähigkeit unter Beweis stellt. Katrin Hauptmann und Olga Wäscher überzeugen in jeder der dargestellten Figuren, ebenso Andreas Jähnert, Lukas Kientzler, Markus Menzel, Mario Plaz und Wolfgang Pevestorf, der als „Die Grüne“ für beste Unterhaltung sorgt. Auch Kostümbildnerin Andrea Hölzl hat eine hervorragende Arbeit abgeliefert. Viele der unzähligen Kostüme zeugen von großer Kreativität und Inspiration.

Hinreißend schöne Bilder

Alexander Kubelka ist mit dieser Inszenierung eine äußerst bekömmliche Mischung aus knisternder Spannung, berührender Ernsthaftigkeit und köstlichem Humor gelungen. Die Musik, komponiert und live gespielt von Boris Fiala und Andreas Hamza bringt die unterschiedlichsten Stimmungen genau auf den Punkt, korrespondiert mit Text und Spiel und erzeugt eine adäquate Atmosphäre. Martin Birnbaumers Choreographien und Bewegungssequenzen fügen sich wunderbar ins große Ganze.
Peer Gynt in Bregenz ist ein äußerst empfehlenswerter Theaterabend mit unglaublich hinreißenden Bildern und einem ganz besonders berührenden Schlussbild – die Greisin Solveig mit dem sterbenden Peer Gynt - das in seiner bestechenden Schönheit  lange in Erinnerung bleiben wird.
Das Publikum bedankte sich mit begeistertem, lang anhaltendem Applaus und vielen Bravorufen!