Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Walter Gasperi · 01. Dez 2013 · Theater

Ein Fest der Sinne – Das Vorarlberger Landestheater spielt „Ronja Räubertochter“ als Weihnachtsmärechen

Tobias Maternas Inszenierung von Barbara Hass´ Bühnenversion von Astrid Lindgrens 1981 erschienenem Roman bietet nicht nur temporeiche, zwischen Spannung und Witz pendelnde Unterhaltung, sondern begeistert auch durch temperamentvolles Spiel, phantastische Bilder und großartiges Sounddesign.

Ansatzlos wird man in dieses Stück geworfen, wenn ein mit Fell bekleideter Mann mit seinem Didgeridoo sogleich auf die unheimliche Atmosphäre einstimmt, die im Wald um die Mattisburg herrscht. Noch ist der Theatervorhang unten und eine Räuberbande springt tanzend und singend hervor, bis einer der Ihren scheinbar tot zusammenbricht. - Ein fulminanter, ungemein dynamischer Auftakt ist dies und mit ähnlichem Tempo geht es zunächst weiter.
Denn der zu Boden Gestürzte erwacht wieder zu Leben und erzählt rückblickend die Geschichte der Räubertochter Ronja (Steffi Staltmeier). Erst jetzt hebt sich der Vorhang und man blickt auf die Geburt Ronjas in der Räuberburg.

Furiose Unterhaltung mit Botschaft

Klug ist diese retrospektive Anlage, denn immer wieder kann so der Erzähler Ereignisse raffen oder Erläuterungen einfügen. Problemlos kann so auch innerhalb einer guten Stunde der Bogen von der Geburt Ronjas über ihr erstes Treffen mit dem Sohn des verfeindeten Räuberhauptmanns (Robert Finster) bis zum Happy-End gespannt werden.
Von der Überwindung von Vorurteilen und egoistischen Besitzansprüchen, von Abnabelung von den Eltern und den Gefahren, die das Leben, für das der Wald steht, aber auch von Belastungen, die es in einer Freundschaft geben kann, wird hier erzählt – freilich fernab von jedem realistischem Ambiente in grandiosem sinnenfrohen Märchengewand.

Zusammenspiel von Bühnenbild, Musik, Farbe, Licht

Denn übervoll ist diese Inszenierung an Einfällen schafft magische Stimmungen mit der Musik – oder besser dem Sounddesign – von Viz Michael Kremietz, der die Vögel zwitschern oder mit Didgeridoo und Gong Gefahren sich nähern lässt.
Beim Bühnenbild reicht Till Kuhnert ein gewaltiger gespaltener Felsblock,  für die Mattisburg, denn dieser kann sich durch Drehung problemlos in Innenräume verwandeln. Gleichzeitig ist der Spalt im Fels ein prägnantes Bild  für die Kluft zwischen der Familie von Ronja und der von Birk.
Dennoch strahlt diese Kulisse mit ihren Erd- und Moosfarben ebenso Wärme aus wie die Kostüme der Protagonisten. Kaltes Blau ist dagegen aus diesem Stück fast gänzlich verbannt. Nichts wurde hier dem Zufall überlassen, farblich ist hier alles vorzüglich aufeinander abgestimmt.
Doch um die richtige Atmosphäre aufkommen zu lassen, reichen Sounddesign und Kulisse nicht, sondern auch Lichtdramaturgie und Bühnentechnik müssen mitspielen. Auch auf diesen Ebenen begeistert diese Inszenierung, wenn am Nachthimmel die Sterne zu leuchten beginnen, Sternenstaub und Seidetücher vom Himmel fallen oder sich langsam Nebelschwaden ausbreiten.

Unheimliche und schrullige Figuren

Letztere künden an, dass sich Unheimliches nähert. Bald tauchen dann auch - Apichatpong Weerasethakuls „Onkel Boonmee“ ist nicht fern - Gnome mit leuchtenden Augen auf  oder von der Theaterdecke nähert sich eine Wilddrude (Andreas Jähnert) fliegend dem Wald.
Für gleichermaßen poetische wie spannende Momente sorgt das Auftauchen dieser Figuren, während Komik mit zwei kauzigen Rumpelwichten ins Spiel kommt, die Erinnerungen an Spike Jonzes Verfilmung von „Wo die wilden Kerle wohnen“ wecken.

Leidenschaft und körperlicher Einsatz: Steffi Staltmeier

Nie verliert man aber trotz dieser Begegnungen die zentrale Geschichte von Ronja und Birk aus den Augen. Emotionales Herz und Kraftzentrum dieser Inszenierung ist dabei eindeutig Steffi Staltmeier, die ihre Ronja nicht nur mit Leidenschaft, sondern auch mit großem körperlichem Einsatz spielt, bald am Felsen herumkraxelt, dann wieder tanzt oder sich mit langen Stecken einen Fechtkampf mit ihrem Vater oder Birk liefert.
Bis zum furiosen Finale, in dem witzig mit männlichen Machtansprüchen und Revierkämpfen abgerechnet wird, bietet diese „Ronja Räubertochter" somit einen mitreißender Theaternachmittag, der Jung und Alt gleichermaßen begeistern kann.