Neu in den Kinos: "Die Unschuld" (Foto: Wild Bunch Germany/Plaion Pictures)
Walter Gasperi · 06. Jän 2015 · Theater

Der lange Heimweg eines Regenwurms – Das Puppentheater Hard bietet mit „Willi will weg“ liebe- und gefühlvolles Kindertheater

Regenwurm Willi hält es zuhause nicht mehr aus. Doch kaum ist er aus der elterlichen Wohnung abgehauen, sehnt er sich auch schon wieder danach. Schön in kleine Episoden unterteilt bietet die von Iris Biatel-Lerbscher geschriebene und inszenierte Geschichte in der Mischung von Musik und Sockentheater in der Kammgarn Hard charmant-liebevolle Unterhaltung auch für kleine Kinder.

Zwar spielt und singt Margarete Müller an ihrem Akkordeon schon das Titellied von „Willi“ und ein Jogger sucht den Protagonisten des folgenden Stücks auch schon, doch dieser ist noch gar nicht da. So beginnt die eigentliche Handlung erst nach diesem "Vorspann", wobei die Puppenspielerinnen Heidi Woitsche, Sonja Biatel-Kassler, Martina Hädge und Angelika Büchele-Herburger ihr Spiel dann auch durchaus transparent machen und ihre Figuren mit der jeweiligen Spielerin in Dialog treten lassen.

Alltag ins Fabelhafte verschoben

Im Mittelpunkt steht Regenwurm Willi, den seine Mutter mit der Aufforderung das Kinderzimmer aufzuräumen nervt. Ganz im Alltag verankert, nah an den Erfahrungen des jungen Publikums ist damit das Stück, gleichzeitig wird die Handlung freilich mit Tierfiguren spielerisch ins Fabelhafte verschoben.
Auch sprachlich bleibt das Stück mit authentischem und nicht irgendwie gekünsteltem vorarlberger Dialekt, zu dem bei anderen Tieren auch tiroler und süddeutsche Mundart kommt erfreulich frisch, verspielt und bodenständig.

Liebevolle Details statt große Geschichte

Kaum ist Willi freilich aufgebrochen, droht er schon Opfer eines Raben zu werden. Dieser lässt nur von der Beute ab, weil der Rabe den Geschmack der Sonnencreme, mit der sich der Regenwurm vorher eingeschmiert hat, nicht ausstehen kann. Mehr von solch liebevollen Details als von einer großen Geschichte lebt dieses warmherzige Puppentheater, denn dass Willi nach Begegnungen mit diversen Tieren wie Käfer, Gans und Fliege glücklich heimkehren wird, ist abzusehen.

Warmherzig und optimistisch

Vergnügen bereiten aber die liebevoll gestalteten unterschiedlichen Tiere, ihre jeweils individuell unterschiedlich gezeichneten Lebensverhältnisse und ihre unterschiedlichen Reaktionen auf die Begegnung mit Willi. Gemeinsam ist ihnen freilich, dass sie alle körperlichen Symptome beim Regenwurm, seien es nun Nasen-, Hals- oder Brustschmerzen als Heimweh deuten und ihn mit der Aufforderung „Folge deinem Herzen!“ weiter schicken.
Schön wird dabei in der Erzählung nach jeder Episode mit musikalischen Einschüben von Margarete Müller quasi eine Pause eingeschoben. Für Witz sorgt hier auch der in diesen „Pausen“ jeweils als Running Gag über die Bühne rennende und erfolglos Willi suchende Jogger, der freilich auch die Möglichkeit bietet das Publikum direkt in die Aufführung einzubeziehen.

Popkulturelle Referenzen für Erwachsene

Als gelungene Zuckerl für die Erwachsenen funktionieren schließlich kurze, leicht variierte Passagen von Popsongs und Klassikern von „Mackie Messer“ über „Somewhere over the Rainbow“ bis „Jede Zelle meines Körpers ist glücklich“ und „Koa Hiatamadl mog i net“, die Iris Biatel-Lerbscher gekonnt in das Stück eingebaut hat.
Und wie sich am Beginn das fabelhafte Stück aus dem Alltag heraus entwickelt, so führt Biatel-Lerbscher auch am Ende das Publikum wieder äußerst gelungen aus dem Stück in die Realität zurück, wenn das Kuchenessen der Familie der Regenwürmer organisch übergeht in die Aufforderung noch bei Kuchen und Getränk im Foyer der Kammgarn zu verweilen.