Andrew Cyrille Quartet: The News
Wieder mit an Bord sind der kongeniale Gitarrist Bill Frisell und Kontrabassist Ben Street, der ursprüngliche, mittlerweile verstorbene Keyboarder/Pianist Richard Teitelbaum musste krankheitshalber passen und wurde durch den in New York stationierten kubanischen Tastenzauberer David Virelles adäquat ersetzt. Der unglaublich ruhige Opener „Mountain“ aus der Feder Frisells würde sich in seiner leichten Americana-Schräglage auch auf einem der Alben des wandlungsfähigen Gitarristen gut machen. „Leaving East of Java“, eine Komposition des Pianisten und früheren Wegbegleiters Adegoke Steve Colson, hat Cyrille sowohl mit diesem, als auch vor 20 Jahren im Trio mit Oliver Lake und Reggie Workman gespielt. Hier durchläuft das Stück nun in knapp neun Minuten ein breites Spektrum an rhythmischen und stilistischen Transformationen – von der nachdenklichen, hymnischen Einleitung, über einen entspannten Sunda-Inseln-Bounce, der zunehmend destruiert wird, in ein wildes, freies Intermezzo übergeht und schließlich doch einen beschaulichen Ausklang findet. Zur Erholung wird Frisells charmanter, weil leicht dissonanter Blues „Go Happy Lucky“ nachgeschickt, ehe mit dem Titeltrack „The News“ wieder experimenteller Boden betreten wird. Andrew Cyrille legt Zeitungspapier über Becken und Trommeln und bespielt sie mit dem Besen, was seine Kollegen zu ebenfalls lautmalerisch-geräuschhaften Exkursen animiert. Dieses Stück beweist eindrucksvoll, dass Cyrille seit dessen Ersteinspielung auf seinem 1978-er Solo-Album „The Loop“ nichts von seiner Experimentierfreude verloren hat. David Virelles Komposition „Incienso“ (vermutlich als „Beweihräucherung“, nicht als „Weihrauch“ zu übersetzen) schwelgt dann in einem rhythmisch eigenartig akzentuierten, leicht angeschrägten Karibik-Feeling, ehe Bill Frisell mit seinem „Baby“ und glasklar verhalltem Gitarrenton effektvoll schmachtend die Weite der Prärie evoziert. Der vorsichtig forschende „Dance of the Nuances“ von Cyrille/Virelles wird über sieben Minuten hinweg seinem Titel gerecht. Das abschließende, von Andrew Cyrille ebenfalls schon mehrfach aufgenommene „With You in Mind“ beginnt mit der Spoken-Word-Performance eines tief empfundenen Liebesgedichts, dessen Stimmungen Frisell, Street und Virelles dann aufs Schönste weiterspinnen. Man ist versucht, von einem höchst gelungenen Alterswerk des legendären Schlagzeugers zu sprechen, was aber Blödsinn ist, weil einem während des Zuhörens niemals dessen fortgeschrittenes Alter in den Sinn kommt. Andrew Cyrilles Schaffen ist klarerweise völlig zeitlos.
(ECM/Universal)