Enrico Rava: Edizione Speciale
Dazu kommt, dass die ausgewählten Stücke großteils von älteren Produktionen stammen und immer wieder auf den Set-Lists des Trompeters auftauchen. „Diva“, „Infant“ und „Wild Dance“ stammen vom gleichnamigen 2015-er Album, auf dem auch Diodati, Evangelista und Morello schon gespielt haben. „The Fearless Five“ war erstmals auf einer frühen Quartett-Platte Ravas zu hören, die bei Manfred Eichers ECM erschienen ist, zu dessen Stamm-Musikern der Italiener seit 1975 zählt, und „Theme For Jessica Tatum“ ist schon auf dem 1996 beim französischen Label Bleu produzierten Album „Noir“ zu finden. Alle Beteiligten sind also eng miteinander vertraut und auch das Material ist bestens bekannt – eine ideale Ausgangslage für dieses experimentierfreudige Sextett, das den stets melodisch orientierten, aber eine Unmenge an Interpretationsmöglichkeiten bietenden Kompositionen des Trompeters eine energiegeladene Frischzellenkur verpasst. Verblüffende Inside-Outside-Improvisationen, rasante Unisono-Passagen, ungestüme Noise-Gitarren-Attacken, schwindelerregende Piano-Kaskaden, Enrico Ravas unverkennbarer Flügelhornton – man nimmt sich viel Zeit, um die unterschiedlichen musikalischen Ideen zu kombinieren und auszuloten. Die längste der musikalischen Expeditionen, eine Kombination aus Michel Legrands wundervoller Ballade „Once Upon A Summertime“ und Ravas düsterem, Film noir-artigen „Theme For Jessica Tatum“, dauert 17 Minuten, keine Sekunde davon möchte man missen. Die lustvollen musikalischen Interaktionen aller Beteiligten – man harmoniert und man reibt sich aneinander – finden im kubanischen Chachacha „Quizás, Quizás, Quizás“ von Osvaldo Farrés, der vor allem in den Versionen von Nat King Cole und Doris Day Bekanntheit erlangte, ein leichtfüßiges Finale. „Edizione Speciale“ dürfte Enrico Ravas 55. Album unter eigenem Namen sein und klingt absolut frisch und unverbraucht – Spaß und Enthusiasmus auf der Bühne lassen sich ohne Abstriche auch zuhause nachvollziehen!
(ECM/Universal)