Halsey: If I Can’t Have Love, I Want Power
Das war’s dann aber auch schon mit irgendwelchen Zugeständnissen seitens Ashley Nicolette Frangipanes, die unter dem Anagramm Halsey mit allen vier bisher erschienen Alben Top-Positionen in den US- und UK-Charts erreichte und mit global mehr als 30 Milliarden Streams zu den erfolgreichsten Künstler:innen überhaupt zählt. Und das obwohl die sich selber als „tri-bi“ (bisexual, biracial, bipolar) bezeichnende Elektro-Pop-Singer-Songwriterin ihren Fans niemals leicht verdauliche Kost bot. So handeln auch die wie immer exzellenten Lyrics der mittlerweile 27-Jährigen – die nebenbei bemerkt letztes Jahr mit ihrem ersten Buch „I Would Leave Me If I Could: A Collection of Poetry“ die „New York Times“-Bestsellerliste enterte – nicht von Stolz und Mutterfreuden, sondern von Stigmata und Vorurteilen gegenüber Schwangeren und jungen Müttern, die gerade eine Geburt hinter sich gebracht haben, von freud- und leidvollen Schwangerschafts- und Gebärerlebnissen, von misogynen Lovern und dem Teufel höchstpersönlich. Musikalisch hat die Wahl-New Yorkerin in den Nine Inch Nails-Masterminds Trent Reznor und Atticus Ross kongeniale Partner gefunden, da sich deren eher düsterer Mix aus Alternative Rock, Industrial und diversen Electronica-Spielarten auf symbiotische Weise mit Halseys Alternative Electronic-Pop-Vorstellungen kombinieren lässt. Das Spektrum gerät verblüffend breit - vom geheimnisvoll klingenden Piano-Song „The Tradition“, über das klassische Fingerpicking von „Darling“, bis zum düster-verzerrt groovenden „The Lighthouse“, vom nervös-aufgekratzten Synthie-Pop von „I am Not a woman, I’m a God“ bis zum angstvoll beschwörenden, mit zarten Klangtupfern unterlegten „Ya’aburnee“. Stars wie der ehemalige Fleetwood Mac-Gitarrist Lindsey Buckingham oder Dave Grohl in seiner alten Rolle als Drummer schauten mal kurz für Hilfsdienste im Studio vorbei – vielleicht eine Huldigung der mit neuem Selbstverständnis agierenden Halsey auf dem (Alternative-Pop-)Thron, die mit ihren ausdrucksstarken Texten und ihrer emotional fesselnden Stimme gleichermaßen gefangen nimmt. Love and Power!
(Capitol/Universal)