Schallwende und resonierende Schallwände für die neue Musik – Guter Start für ein neues Festival am Feldkircher Saumarkttheater
Beim Schallwende-Festival sollen Vorarlberger Komponisten und Komponistinnen Gehör finden. Eine bedeutende Idee besteht für die Initiatoren Dietmar Kirchner und Wolfgang Lindner darin, zu den Konzerten auch Ensembles einzuladen, die außerhalb des Landes aktiv sind. Dass das neue Musikschaffen viel Unterhaltung bietet, bewiesen unter anderem das Koehne Quartett (Joanna Lewis und Anne Harvey-Nagel, Violine; Lena Fankhauser, Viola und Mara Achleitner, Violoncello) sowie die Musiker Christian Hartmann (Marimba), Christian Kapun (Bassetthorn und Bassklarinette), Georgios Mikirozis (Percussion), Fabian Pablo Müller (Saxophon) und Olga Salogina (Klavier) mit einer großen Palette an Werken, die sehr unterschiedliche musikalische Aussagen hatten und Musik aus verschiedenen Blickwinkeln erlebbar machten.
Farben und Formen
In Vorarlberg erstmals zu hören war die Komposition „Einklang freier Farben“ von Dietmar Kirchner. Inspiriert wurde das Werk für Streichquartett und teilweise Percussion (Georgios Mikirozis) vom Maler Otto Dix. Dietmar Kirchner zog in sieben Abschnitten einen Bogen von expressiven Klanggebilden mit vorwärtstreibenden Rhythmen bis hin zu spektral verschmelzenden Tonlinien. Die Musikerinnen des renommierten „Koehne Quartetts“ modellierten die transparenten Linienführungen in einem gut nachvollziehbaren Klangvorder- und Klanghintergrund. Den Höhepunkt bildeten die letzten beiden Abschnitte, in denen die musikalischen Texturen filigran ineinanderflossen und sich dabei beziehungsreiche Tonqualitäten herauskristallisierten.
Spannend erzählte Geschichten
Martin Merker brachte das „Dritte Lied der Sirenen“ von Wolfgang Kirchner zur Uraufführung. Mit seinem intensiven Spiel und der spannungsgeladenen Komposition erzeugte er eine große Erwartungshaltung und zog die Zuhörenden in seinen Bann. Jede kleine Geste, auch Luftgeräusche, hatten Bedeutung und ergaben ein Ganzes, das die Seelenqualen des Odysseus aussagekräftig zum Ausdruck brachte. Eine amüsante Reminiszenz an das „Froschermandl“, das schon Arik Brauer besungen hat, präsentierte Christian Kapun. Dietmar Kirchner setzte die Musik für Kontrabassklarinette mit vieldeutigen Spaltklängen, Klappengeräuschen sowie Gurgelgeräuschen und erzählte die Geschichte mit wunderbar plastischen Gesten.
Relevanz für unsere Gegenwart
Viele von Dietmar Kirchners Kompositionen stehen in einem gesellschaftspolitischen Kontext. Er selbst betont, dass seine Musik auch eine Relevanz in unserer Gegenwart haben soll. Diese Gedanken legte er der Komposition für Bassetthorn und Laptop mit Greta Thunbergs Zitat „Der Krieg gegen die Natur muss aufhören“ zugrunde. Diese Aufforderung kommentierte Christian Kapun am Bassetthorn und unterstrich damit den Botschaftscharakter eindrucksvoll.
Wolfgang Lindner ließ in seinem Duett „Beziehungsweisen“ für Saxophon und Klavier zwei personifizierte Instrumente miteinander höchst emotional kommunizieren. Fabian Pablo Müller hat das Werk schon öfters gespielt und stellte die Musik gemeinsam mit der temperamentvollen Olga Salogina am Klavier virtuos und ausdrucksstark in den Raum. Ebenso unterhaltsam kam Lindners Werk „Est! Est! Est!“ mit Christian Hartmann an der Marimba über die Bühne.
Rückblick auf musikalische Traditionen
Mit zwei Kompositionen zollten Dietmar Kirchner und Wolfgang Lindner der Kompositionsgeschichte Tribut. Im Streichtrio „In the Spirit“ (Joanna Lewis; Lena Fankhauser und Mara Achleitner) beschäftigte sich Wolfgang Lindner mit einem 11-taktigen Fragment von Franz Schubert und schrieb auf seine Weise den Anfang des Werkes weiter. Ebenso beschäftigte sich Dietmar Kirchner im Klavierstück „Brief an Hugo Wolf“, das Olga Salogina zur Uraufführung brachte, mit themengebenden Gedanken von Hugo Wolf.
Fortsetzung im kommenden Jahr
Die beiden Komponisten führten sympathisch durch das Programm, erzählten von Beweggründen und Ausgangsgedanken und bereicherten damit die musikalischen Erlebnisse.
Die Matinee mit den beiden Porträtkonzerten litt zwar etwas an Überlänge, ging aber in guter Stimmung und freundschaftlicher Atmosphäre über die Bühne. Gespannt darf man den weiteren Fortgang des Schallwende-Festivals im kommenden Jahr erwarten, bei dem Komponistinnen im Mittelpunkt stehen werden.