Wenn im Konzert die Funken sprühen – Martin Grubinger und das Residentie Orkest Den Haag mit Anja Bihlmaier am Pult sorgten in Dornbirn für Jubelstimmung
Der israelische Komponist Avner Dorman schrieb seine Komposition mit dem sinnigen Titel „Frozen in Time“ dem Perkussionisten Martin Grubinger auf den Leib. Ganz in seinem Element interpretierte der durch und durch vom Rhythmus beseelte Musiker das Werk. Eruptiv leitete Martin Grubinger das Werk ein und spielte auf der Marimba und dem Drumset den Solopart. Unterstützt wurde er von einem riesigen Orchester. Die Musiker:innen und Martin Grubinger steigerten sich enthusiastisch in den musikalischen Fluss hinein, so dass die physische Kraft der Musik im Saal mitreißend erlebbar war. Wie Klanginseln wirkten die ruhigen, im Pianissimo ausgestalteten Felder. Das geänderte Instrumentarium mit Vibraphon, Glockenspiel und Crotales bewirkte im zweiten Satz eine markante Klangfarbenänderung. Zudem verstärkten Liegetöne der Streicherstimmen die immanente Spannung, die sich aus einer großen Ambivalenz zwischen kulminierenden Passagen, Blechbläserschüben und schwebend zurückhaltenden Tonrepetitionen ergaben. Martin Grubinger und das Residentie Orkest Den Haag modellierten die dicht verwobenen Linien in einem aufmerksamen Geben und Nehmen. Einen wunderbar lockeren Spielwitz entfaltete schließlich der Finalsatz mit einem Stilmix, der solistische Einwürfe des Saxophons und der Trompete, um nur zwei zu nennen, in einen energetisch aufgeladenen Diskurs mit dem Solopart stellte.
Am Pult leitete die zugleich elegant und kraftvoll tänzerisch gestaltende Dirigentin Anja Bihlmaier die Musik. Bei ihr liefen die Fäden zusammen und sie koordinierte den komplexen Verlauf hervorragend.
Dass Martin Grubinger aus einfachsten Zutaten ein mitreißendes musikalisches Ereignis formen kann, bewies er mit seiner Performance eines Rudiments. Die musikalischen Qualitäten der Anschlagskultur an der Marimba kristallisierte er zum Schluss mit der Sarabande aus der dritten Bach-Cellosuite in leisestem Pianissimo heraus. Bewundernswert ging das Publikum im Dornbirner Kulturhaus mit, man hätte neben Grubingers sinnlichem Spiel buchstäblich eine Stecknadel fallen hören können.
Frühlingserwachen in Orchesterwerken
Den Rahmen dieses außergewöhnlichen Hörerlebnisses bildete zuerst der zweite Satz aus Gustav Mahlers dritter Symphonie, den Benjamin Britten für kleine Orchesterbesetzung bearbeitet hat. Den naturhaften Duktus und den fein wogenden Klangcharakter formten die Orchestermusiker:innen sensibel heraus. Gut nachvollziehbar war dabei das Einvernehmen mit der Chefdirigentin Anja Bihlmaier. Diese Qualitäten bestimmten auch die Interpretation der „Frühlingssymphonie“ von Robert Schumann, die das Residentie Orkest Den Haag und Anja Bihlmaier mit großer Spielfreude in den Raum stellten. Zwar gelangen nicht alle Details exakt, aber dem positiven und inspirierenden Gesamteindruck tat dies keinen Abbruch. Im Eröffnungssatz zelebrierten die Musiker:innen die plastischen Vergrößerungen der Themen klangschwelgerisch. Das Larghetto nahm das Orchester in einem zügigen Tempo und auch das Finale lebte von stets aufstrebenden Bewegungsgesten. Für den jubelnden Applaus dankten das Orchester und die sympathische Anja Bihlmaier mit dem fröhlich und elegant musizierten „Ungarischen Tanz Nr. 6“ von Johannes Brahms.
34. Bodenseefestival
bis 6.6.22
an verschiedenen Veranstaltungsorten im Bodenseeraum
www.bodenseefestival.de
www.martingrubinger.com
www.anjabiehlmaier.de
www.residentieorkest.nl